Battlefield-Kolumne: Steht die Renaissance der WW2-Shooter bevor?
Das nächste Call of Duty spielt dort, Battalion 1944 ist quasi schon vom Namen her dazu verpflichtet und Battlefield? Hat seine Wurzeln daher! Die Rede ist vom Szenario Zweiter Weltkrieg. Es scheint fast so, als kämen Spiele, die in dieser Zeit spielen, wieder in Mode. Gilt das Szenario plötzlich wieder als „in“, war es in Wahrheit in den Köpfen der Spieler nie wirklich weg oder ist alles nur ein kurzfristiger Spuk? Ein paar Thesen und Gedanken.
Die Übersättigung
„Ausgelutscht“, „Immer das Gleiche“, „Macht mal was anderes“, so die einstimmige Forderung der Spieler vor etwa 10 Jahren, als gerade eine wahre Shooter-Schwemme mit WW2-Szenario ihren Höhepunkt erreichte. Von 2002 bis 2007 kam keine große Shooter-Serie um einen oder mehrere Ableger im Zweiten Weltkrieg herum. Dass man jedoch als Spieler beim x-ten Spielen der Alliierten-Landung in der Normandie irgendwann dezente Ermüdungserscheinungen aufweist, sollte auch dem letzten Marketing-Verantwortlichen der Spieleindustrie einleuchten. Am Ende zogen die Publisher dann die Notbremse und schwenkten auf moderne Szenarien um. Und nun scheint es so, als käme der 2. Weltkrieg erneut in Mode. Sind all die Ermüdungserscheinungen von damals plötzlich verflogen?
WW2 DAS ultimative Szenario?
Was ich damit sagen will: Reicht es in der heutigen Zeit aus, einen Shooter einfach im 2. Weltkrieg anzusiedeln, um die Spieler hinter dem Ofen hervorzulocken? Denn spielerisch, sind wir ehrlich, steht das Genre der Multiplayer-Shooter seit Jahren fast still. Neuartige Gameplay-Elemente findet man wenn dann in homöopathischen Dosen. Und jetzt kommt mit dem WW2 auch noch ein Setting wieder, das das Gameplay-Korsett noch viel enger schnallt. Denn wenn man als Spiele-Designer die historischen Fakten nicht völlig verbiegen will, gehen Details zugunsten der Spielbarkeit schon mal gerne verloren. DICE kann ein Lied davon singen und nahm sich bei Battlefield 1 deswegen an der ein oder anderen Stelle eine kleine künstlerische Freiheit heraus. Dem Gameplay hat es meiner Meinung nach nicht geschadet. Im Gegenteil! Battlefield 1 war bzw. ist so erfolgreich, eben weil das Core Gameplay nur der historischen Details zuliebe nicht grundlegend verbogen wurde. Dass die Wahl des Szenarios durchaus auch mit Risiken verbunden ist, zeigen Singleplayer-Spiele wie Bioshock Infinite, Dishonored oder auch die Thief-Serie: Von Kritikern geliebt, bei den Verkaufszahlen eher zweite Geige. Und dass es auch ganz anders gehen kann, hat EA mit Medal of Honor gezeigt: Gleich eine ganze Serie wurde eingestellt, weil sie den Sprung in das moderne Szenario nicht geschafft hatte. Und das lag weniger am Gameplay als vielmehr an der eigenen Serien-Vergangenheit: Medal of Honor ist WW2, WW2 ist Medal of Honor. Das hatte sich über all die Jahre so stark im Gedächtnis der Spieler, aber vielleicht auch in dem der Entwickler festgesetzt, dass es dem damaligen Entwicklerteam Danger Close nicht gelang, den einst so erfolgreichen Titel in die Moderne zu führen. Trotz guter und innovativer Ansätze im Gameplay! Gut, Bugs gab es auch nicht zu knapp, aber das ist ein anderes Thema. Plakativ könnte man sich jetzt fragen: Hätte ein Medal-of-Honor-Reboot in einem WW2-Szenario besser funktioniert?
Old School Gameplay als Feature
Battalion 1944 dagegen versucht erst gar nicht, sich mit den großen Shootern der Branche zu messen. Stattdessen setzen die Entwickler auf das Spielgefühl der alten Shooter-Generation und gehen spielerisch an die Anfänge der Multiplayer-Shooter wie z.B. zu Call of Duty 2 oder Medal of Honor Allied Assault zurück. Was man bisher gesehen hat heißt das, kein „neumodischer Quatsch“ wie Killstreaks, keine effektüberladenen Maps, kein Deckungssystem – einfach nur Spieler vs. Spieler auf kleinen bis mittelgroßen Maps in schnellen Gefechten. Für die Entwickler von Battalion 1944 könnte das Konzept aufgehen, weil sie ihrem Titel eine klare Ausrichtung geben und die Spieler somit genau wissen, was sie bekommen und vor allem was sie nicht bekommen. Joe Brammer, Entwickler beim Studio Bulkhead Interactive sagte kürzlich in einem Interview mit dem englischsprachigen Spielemagazin PC GamesN sogar, dass Battalion 1944 auch in jedem anderen Setting funktionieren würde. Ist das Setting also immer nur als Kosmetik zu verstehen und am Ende gar nicht so wichtig, wie wir Spieler immer annehmen? Und was ist mit Call of Duty, einer Serie, die mit ihren WW2-Ablegern ebenfalls große Erfolge feierte? Als einer der ersten großen Publisher kündigte Activision letzte Woche die Rückkehr zum zweiten Weltkrieg an. Ist der Publisher von den angeblich „mageren“ Verkaufszahlen von Infinite Warfare so gebeutelt, dass er jetzt auf Nummer Sicher geht - nach dem Motto: „WW2 verkauft sich immer“. Hier scheinen es sich Entwickler und Publisher etwas zu einfach zu machen. Denn was der Publisher dabei übersieht: Die Verkaufszahlen von Infinite Warfare offenbaren neben einer nicht unbedingt glücklichen Setting-Wahl auch ein anderes, nicht minder wichtiges Detail: die eklatanten Ermüdungserscheinungen der Community bezüglich des Stillstandes der Serie. Und genau diese Ermüdungserscheinungen sollen mit dem Umstieg auf ein WW2-Szenario verflogen sein? Unwahrscheinlich, wenn sich am Gameplay nichts ändert, aber natürlich nicht ausgeschlossen.
Das Zielgruppen-Ding
Andererseits muss ich auch betonen: Ich gehöre nicht zur Zielgruppe! Denn die Shooter-Zielgruppe der Publisher (etwa 16-25 Jahre, vorwiegend männlich) ändert sich nie. Nur ich wachse heraus bzw. bin schon längst herausgewachsen. Das heißt im Umkehrschluss doch auch, dass eigentlich immer ein Markt für WW2-Shooter da sein müsste. Man muss die Pausen zwischen den Szenarien-Wechseln nur lang genug dauern lassen, damit die alte Garde zu alt und die neue Generation an Spielern gerade alt genug ist, um in eine weitere Dekade an WW2-Titeln zu starten. Denn ein heute 16-jähiger Spieler dürfte das erste Call of Duty vermutlich nur mehr vom Hörensagen oder aus dem Pile of Shame seiner Steam-Bibliothek kennen. Für ihn ist der zweite Weltkrieg als Szenario noch relativ frisch und unverbraucht.
Battlefield 1 ein Testballon für ein Battlefield im WW2?
Und was ist eigentlich mit Battlefield? Eine Spieleserie, die ihre ersten Erfolge ebenfalls im 2.-Weltkrieg-Szenario feiern konnte. Wake Island, Omaha Beach, Market Garden, El Alamein, Schlacht in den Ardennen – alles Maps, die vielen Fans auch heute noch ein Leuchten in die Augen zaubert. Zahlreiche Mods haben das Zweite-Weltkriegs-Feeling noch viele Jahre weitergetragen, als das Spiel längst im Modern Warfare und in Zukunftsszenarien angekommen war. Daher dürfte DICE sicher mit dem ein oder anderen Auge auf die jetzt erscheinenden Spiele im zweiten Weltkrieg schielen und schauen, wie diese vom Markt angenommen werden. Spötter behaupten ja, Battlefield 1 wäre mit seinen Automatikwaffen bereits heute schon mehr WW2 als WW1. Aber: Immerhin hat DICE schon mal an der Uhr gedreht und die Zeit bis ins Jahr 1914 zurückgestellt. Egal, ob Battlefield 1 nun historisch gesehen bis in die letzte Patronenhülse korrekt ist oder nicht, es war nach sicheren Modern-Warfare-Gefilden definitiv ein großes Risiko, einen solch fundamentalen Setting-Wechsel zu vollziehen. Und genau das kann man EA nicht hoch genug anrechnen, obwohl beispielsweise EA-Vizepräsident Patrick Söderlund durchaus Bedenken hatte. Klar hat die Serie dadurch mit Sicherheit Spieler verloren, aber sie hat auch jede Menge neue hinzugewonnen. Spieler verloren hat sie nebenbei bemerkt auch durch Battlefield Hardline, das ebenfalls durch sein Szenario nicht unbedingt mit offenen Armen von der Community empfangen wurde. Kurzum, man kann es nie allen Recht machen. Aber betrachtet man die Battlefield-Serie über alle Teile hinweg, so kann man DICE nur ausdrücklich gratulieren, dass sie es mit fast jedem Szenario geschafft haben, ein gutes und zeitgemäßes Spiel daraus zu machen. Was im Fall von Battlefield 1 für DICE und nicht zuletzt für Electronic Arts wohl am meisten zählen dürfte ist die Botschaft der Spieler: „Ja, auch die Weltkriege sind noch immer ein gerne genommenes Szenario, mit denen sich viele Kopien des Spiels verkaufen lassen.“
WW2-Titel ja, aber bitte nicht nur!
Wird es also eine erneute Schwemme an WW2-Titeln geben, die einfach nur mehr vom Gleichen bieten, oder lassen sich die Gameplay-Designer mal wirklich was Neues einfallen? Vielleicht irre ich mich, aber meiner Meinung nach wird ein schlagkräftiges Szenario ödes Gameplay nicht kompensieren können. Klar würde die Landung der Alliierten am D-Day mit der Frostbite-Engine sicher beeindruckend aussehen, aber könnte das Spiel auch gameplay-technisch mithalten? Es bleibt daher nur zu hoffen, dass erstens nicht wieder ein Domino-Effekt eintritt und alle Publisher wie die Lemminge dem WW2-Trend hinterherrennen und zweitens, dass neben aller Strahlkraft des Szenarios auch das Gameplay und die Innovationen bedacht werden. Denn, ich wiederhole mich gerne, nur das Szenario allein, macht noch lange keine guten Verkaufszahlen aus. Für ein Battlefield im zweiten Weltkrieg, sind aber sicher ein paar wenige Spieler durchaus empfänglich. ;-)
Info: Diese Kolumne spiegelt die persönliche Meinung unseres Redakteurs wider und soll als Denkanstoß gesehen werden. Wir freuen uns auf eine sachliche und themenbezogene Diskussion im Forum und in den Kommentaren. Mehr Kolumnenstoff? In unserer letzten Kolumne haben wir uns mit dem Premium Pass für Battlefield 1 und dessen Auswirkungen beschäftigt.
Allerdings befürchte ich, da CoD ja auch wieder auf den Zug aufspringt, daraus wieder ein sehr einseitiger Trend wird. Ich muss aber zugeben, dass ich vom MW Szenario echt bedient bin, vielleicht wäre ein solche Trend für ne Weile ganz angenehm
Was Battlefield angeht ist mir persönlich das Setting leider schnuppe, weil sich für mein Empfinden BF4 und BF1 (Auf der Zeitachse ungefähr 100 Jahre auseinander) zu ähnlich anfühlen und ob man jetzt mit M4 und einem ACOC drauf rumrennt oder mit der Thompson, der größte Unterschied ist vermutlich nur Kimme & Korn und um die Spieler am Ball zu halten, wird man sich schon diverse Aufsätze einfallen lassen. Leider wird heute auf immer schnelleres Gameplay und immer kurzweiligere Matches gesetzt, weswegen ein WW2 BF trotz der Schauplatz- und Waffenvielfalt vermutlich wieder aus Normandie und Stalingrad bestehen würde und hauptsächlich würden wieder Thompson, MP40 und PPSH zum Einsatz kommen, Karabiner passen schlichtweg nicht ins Gameplay/zum angepeilten Klientel.
Gameplayänderungen samt eines "neuen" Settings würden mich ggf. zurückholen, momentan setze ich aber eher auf Battalion 44 oder,auch wenn ich noch skeptisch bin, weil es von Gaijin kommt, Enlisted.
Mal sehen was so kommt
Mit einer aktuellen Spiele-Engine und Schauplätzen wie Italien, Griechenland (Kreta), Polen, Frankreich, Deutschland könnte das schon etwas werden. Das ganze dann auch von den Stimmungen ändern. Sommer mit bestem Wetter, mit Sommergewitter (oder kurz danach). Herbst, alles trist mit Nebel, Dauerregen, oder morgens in einem bunten Mischwald.
Aber statt immer wieder Shooter zu entwickeln, wäre es doch mal Zeit für ein Rosamunde Pilcher-Spiel