Battlefield-Kolumne: Es krabbelt in der Käferkiste
Was hat Battlefield V in den letzten Monaten nicht alles über sich ergehen lassen müssen: Ein seltsames Reveal-Event, eine bis zuletzt sehr holprige Marketing-Kampagne und eine schier endlose Gender- und Authentizitätsdebatte. Ich mache mir aus solchen Debatten relativ wenig, da sie zum einen immer emotional und in aufgeheizter Stimmung geführt werden und zum anderen es DICE‘ komplett alleinige Entscheidung ist, wie sie ein Spiel umsetzen wollen. Ob mir das persönlich in den Kram passt, kann den Game-Designern herzlich egal sein. Unterm Strich zählt, wie sich das finale Spiel anfühlt, wie durchdacht es ist und wie rund es technisch läuft. Doch gerade letzterer Punkt lässt mich nach der Open Beta zweifeln.
Es gibt noch viel zu tun
Zwar wurde Battlefield V um etwa vier Wochen in den November hinein verschoben, aber die Open Beta enthält eine derartige Fülle an Bugs, die selbst positiv gestimmte Spieler nachdenklich stimmen sollten. Viele der Bugs werden laut Aussage von DICE noch gepatched oder sind es bereits, aber bei den Entwicklern scheinen die Uhren und vor allem die Kalender anders zu laufen. Denn rund acht Wochen vor Release sollten meiner Meinung nach keine Diskussionen über solch elementare Dinge wie Squad-System, Wiederbelebungsmechaniken oder gar Aussetzer in der Infrastruktur geführt werden. Natürlich ist mir bewusst, dass Spieleentwicklung heutzutage komplex ist – sehr komplex. Aber wie toll wäre es denn, wenn ein Battlefield-Spiel acht Wochen vor Release bereits im Polishing wäre? Aber was weiß ich schon! Es wird wohl Wunschdenken bleiben. Gefühlt wird dieses Polishing wieder einmal auf dem PC oder der Konsole der Spieler erfolgen. Und von Lags, Sound-Aussetzern, verschwundenen Fahrzeugen, Probleme beim Waffenhandling, einem wenig optimierten und versteckten Serverbrowser, einem umständlichen Customization-Menü sowie von holprigen Animationen und Glitches habe ich dabei noch gar nicht gesprochen. Dass zu Beginn der Open Beta eigentlich behobene Fehler aus der Closed Alpha erneut auftauchten und spielrelevante Dinge wie Matchmaking oder Squads überhaupt nicht funktioniert haben spricht Bände, unter welchem Zeitdruck die Open Beta „fertiggestellt“ werden musste. Für den Durchschnittsspieler bleibt das Entwicklungschaos so oder so jedes Mal aufs Neue ein Buch mit sieben Siegeln.
Battlefield V als ungeschliffener Diamant?
Die These, dass sich Vorbestellungen negativ auf die Spieleentwicklung auswirken ist so alt wie die Vorbestellerei selbst. Aber bei Battlefield V sollte man momentan darauf verzichten, Vorschusslorbeeren in Form einer Vorbestellung oder gar eines Kaufs zu verteilen. Denn Vorbestellungen sind auch immer eine Art Vertrauensvorschuss, den das Spiel bisher auf technischer Seite nicht erfüllen kann. Was das Spiel jedoch mehr als verdient hätte, wäre eine Verschiebung in das nächste Frühjahr hinein, um DICE mehr Entwicklungszeit zu geben. Ungeachtet der technischen Unzulänglichkeiten ist das was unter der nicht polierten Oberfläche hervorschimmert, die wohl größte Veränderung des Spielgefühls, sowie die gleichzeitig umfassendste Verbesserung der Spielmechaniken eines Frostbite-Battlefields überhaupt. Und trotz der sicht- und spürbaren Verbesserungen leidet auch die Entwicklung von Battlefield V wieder an einer altbekannten Krankheit: Zu wenig Zeit und Personal für zu viele Features. Unbegreiflich auch, warum man der Frostbite-Technikabteilung die Umsetzung von Raytracing aufhalst, anstatt sich um Bugs zu kümmern, die sich wie ein roter Faden durch die Engine ziehen. Zumal wohl nur wenige Spieler gleich zum Release in den Genuss von Raytracing kommen werden.
Das Marketing-Geschwür "Post-Launch-Features"
Dem ganzen noch nicht genug, ist fast wöchentlich von Inhalten zu lesen, die es erst nach dem Release in das Spiel schaffen werden. Neudeutsch auch „Post-Launch-Feature“ genannt: Koop-Modus, Battle-Royale-Modus, optische Anpassungen, Gameplay-Elemente wie das Ziehen von Soldaten bei der Wiederbelebung und - Achtung Trigger! – das Serverprogramm (RSP). Wenn es denn überhaupt kommt! Denn als Gameplay-Designer Andrew Gulotta während eines Interviews auf diesen Umstand angesprochen wurde, ernteten die Zuschauer ein doch eher erzwungenes Lächeln. Ein sprachliches Wendemanöver später steht fest: Battlefield V wird keine Mietserver zum Release enthalten. Und wie die Chancen stehen, sich jemals wieder über externe Anbieter einen Server mieten zu können, möchte ich mir erst gar nicht ausrechnen. Dieses ganze Aufschieben von Inhalten schreit förmlich danach, dass DICE noch viel mehr als nur vier Wochen Zeit bräuchte, um ein gutes Spiel abzuliefern.
Pulverfass Unlocksystem?
Dabei könnte der größte Entrüstungssturm Battlefield V erst noch bevorstehen. Denn die Open Beta hat bereits erahnen lassen, wie das Freischaltungssystem aufgebaut sein wird. Im momentanen Zustand ist dieses noch recht undurchsichtig und dazu auch noch außerhalb des Spiels im Company-Menü „versteckt“. Das wäre noch zu verschmerzen doch offensichtlich begünstigt das System Spieler mit längerer Spielezeit über die Maßen. Das heißt, wer eine Klasse und damit eine Waffe nur lang genug spielt, ist einem neuen Spieler mit unmodifizierter Waffe unabhängig vom Skill scheinbar überlegen. Man kann nach dem Battlefront-2-Desaster nur hoffen, dass DICE bei Battlefield V geschickter agiert und mit der Community diesbezüglich Kontakt hält und erläutert, welche Design-Entscheidungen hinter dem System stehen. Bei mir war die Spielzeit zu kurz, um die Auswirkungen des Systems in Gänze erfassen zu können aber nach einem Blick auf die gängigen Diskussionsplattformen wird auch deutlich: Für die einen ist ein normales Unlocksystem mit den richtigen Anreizen, für die anderen erscheint es bodenlos unfair. Die Zeit wird zeigen, wie DICE in diesem Punkt agieren wird. Ein guter Schritt ist es, dass DICE sehr offen über Social Media Kontakt hält und in Developer-Videos ihre Entscheidungen erläutern.
Fazit
Was nach der Open Beta bei mir hängen bleibt, ist ein äußerst zwiegespaltener Eindruck. Auf der einen Seite war da Rotterdam, die Atmosphäre, das Gunplay, die verbesserten Teamplay-Mechaniken und natürlich wieder die grandiose Grafik- und Soundkulisse. Auf der anderen Seite diese ganzen Bugs, Probleme und fragwürdigen Design-Entscheidungen. Deswegen erst mal abwarten, was da noch so kommt. Allein aufgrund der Tatsache, dass DICE Battlefield wieder mehr Anspruch verpassen wird, hätte das Spiel jedoch eine Chance verdient.
Was sind Eure Erfahrungen, die ihr aus der Open Beta mitnehmt? Schreibt uns gerne Eure Meinung in den Comments oder im Forum.
Diese Kolumne spiegelt die persönliche Meinung unseres Redakteurs wider und soll als Denkanstoß gesehen werden. Wir freuen uns auf eine sachliche und themenbezogene Diskussion im Forum und in den Kommentaren.
Ich möchte eine Battlefield und kein Betafield bekommen.
Weapi
Man wird älter... Aber das alles schon gesehen / gemacht zieht sich durch den ganzen Alltag und ist nicht ein exklusives Battlefield Gefühl.(Ich denke da im speziellen an Party`s und Konzerte ) Zumindest bei mir. Nichts desto Trotz macht mir das alles (zum Glück) immer noch Spass, nur halt nicht mehr so Bedingungslos wie zu BF1942 oder BF2 Zeiten .
Sehr guter News Text wie immer, sehe ich absolut genau so.