Hurra! Wir sind ein Medienhaus
Eigentlich hatten wir uns für ein simples Diskussionsforum zur Battlefield-Serie mit vorgeschalteter Nachrichtenseite gehalten, doch seit dem 27. April ist alles anders. An diesem Tag ist das Landgericht Hamburg zu dem Schluß gekommen, dass wir alle ein bisschen Bluna und vor allem ein redaktionelles Angebot sind. Gemeint ist damit übrigens unser Forum und nicht die News. Genau genommen alle Internetforen. Konkret geht es um die Klage des Forenbetreibers Martin Geuß (supernature-forum.de) gegen die gängige Abmahnpraxis für kritische Postings. Dabei werden gezielt Beiträge erboster Kunden zu Firmen gesucht und dem Betreiber auf Basis eines umstrittenen Urteils gegen Heise daraufhin eine Abmahnungen zugesandt. Ob der Betreiber von den Beiträgen Kenntnis hat, spielt dabei erst einmal keine Rolle. Betroffen von dieser Paxis war auch Martin Geuß, der sich jedoch mit einer so genannten negativen Feststellungsklage zur Wehr setzte.
Webweite Unterstützung
Der Fall hat Brisanz und da Geuß einer der ersten war, der sich zur Wehr setzte, war die Unterstützung groß. Die Kosten für das Verfahren wurden durch Spenden der Webcommunity und Forenbetreiber wie uns finanziert, die durch solche Praktiken die Meinungsfreiheit bedroht sehen. Vom Zweifel am deutschen Rechtsstaat einmal abgesehen. Mehr als ein Jahr zog sich der Fall hin und nun wurde ein Urteil gefällt. Das ist ? auf den ersten Blick ? zu Gunsten von Geuß ausgefallen, allerdings wirft das Urteil aus Hamburg Fragen für die Zukunft auf. Gut ist, dass der Streitwert von 50.000 auf 15.000 Euro herabgesetzt wurde und gut ist auch, dass Geuß in fünf von sechs Fällen Recht erhielt. Demnach müssen Firmen durchaus mit Titulierungen "Betrügerfirma" oder "Mafia" leben, ohne gleich eine sichere Grundlage zur Abmahnung zu haben. Eigentlich großer Sieg, der im Detail bei Supernature kommentiert wurde, wäre da nicht die vom Gericht getroffene Einstufung von Foren.
Redakteure wider Willen?
Folgt man dem Spruch des Gerichts, sind Internetforen redaktionelle Angebote und deren Betreiber haben die Pflicht, die Richtigkeit der Beiträge zu überprüfen. Das Urteil, das inzwischen auch als Volltext nachzulesen ist, verlangt eine ausdrückliche Distanzierung des Betreibers im Einzelfall. Im Wortlaut heißt es hier:
Das setzt voraus, dass der Betreiber der Internetseite sich von der betreffenden Äußerung nicht pauschal, sondern konkret und ausdrücklich distanziert (vgl. dazu Engels, AfP 2000, S. 524 ff., 527 zu Fußn. 53). Nur dadurch kann verhindert werden, dass sein Internetauftritt als Gewähr für die Richtigkeit der Information angesehen und deren weitere Verbreitung als zutreffende Tatsachenbehauptung gefördert wird. Dies entspricht der Konzeption für alle Angebote, über die Äußerungen verbreitet werden, die nicht ausschließlich von deren Inhaber stammen, sondern von Dritten verfasst sind, und wie sie nach der Regelung in § 54 RStV nunmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für alle Anbieter redaktionell gestalteter Angebote, wozu auch Internetforen gehören, gelten. (Quelle: Foren-und-Recht.de
Bezogen auf unser Forum bedeutet das, wir müssten nicht nur jeden Beitrag lesen, sondern gegebenenfalls unterhalb von kritischen Beiträgen einen Standardtext einkopieren. Eine solche Distanzierung im Einzelfall widerspricht jedoch dem Sinn und Prinzip von Foren, wo sich Betreiber bisher pauschal von rassistischen, beleidigenden und anderweitig rechtlichen problematischen Beiträgen distanzieren. Es kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein, dieses Prinzip gegen eine Dauerbekundung unterhalb von Hunderten oder ? im Falle von großen Foren ? Tausenden Beiträgen zu platzieren. De Folge wäre ein Bot, der unter Postings mit bestimmten Schlagworten automatisch unseren Disclaimer setzt. Wir haben zwar keine Ahnung ob Du Recht hast, distanzieren uns für den Fall der Fälle jedoch schon einmal von Deinem Beitrag.
Arme Online-Welt
Zusammengefasst lässt das Urteil in seiner Begründung mehr Fragen offen, als es klärt. Wenn Foren wirklich immer redaktionelle Angebote sind, können Teilnehmer dann wie im Supernature-Board vorgeschlagen zukünftig einen Presseausweis beantragen? Und warum ist der reine Meinungsaustausch, der in Foren oft ohne konkreten Anlass oder eine Nachricht erfolgt, überhaupt pauschal redaktionell? Kann ich in Folge die Gespräche über die Themen in FAZ, BILD & Co. im Raucherraum zur Redaktionssitzung erklären? Immerhin findet ein vergleichbarer Prozess im Internet statt: Menschen unterhalten sich mit mehr oder weniger großem Fachwissen über Gott und die Welt. Nicht mehr oder wenige redaktionell sind Foren, die durch die Klassifizierung der Gerichte die Begriffe Redaktion und Journalismus ad absurdum führen. Denn zur echten redaktionellen Arbeit gehört mehr als die Bekundung der eigenen Meinung, die im besten und redaktionellen Fall ohnehin nicht in der Nachricht zu finden ist, sondern im Kommentar. Wer sich schon einmal auf seine zukünftige Rolle als Online-Redakteur vorbereiten möchte, findet ausführliches Material zur Recherche in den weiterführenden Links. Wir verabschieden uns an dieser Stelle und kehren zurück zur großen Redaktionssitzung im Forum.
Ich betreibe selbst ein Forum, und frage mich daher schon seit längerem, wie man diesen krausen Gedanken mancher Richter am besten entgegnen könnte.
werde das aufjeden fall nochmal richtig durchlesen und verfolgen.. das würde mir aber jetz die samstags-laune zu sehr verziehn. in diesem sinne, haut rein und ein gutes we, Joe
Das ist doch für große Betreiber einfach nicht möglich...
Von der Redefreiheit will ich gar nicht erst reden, die DDR lässt grüßen.
Als nächstes wird auch eine Kneipe als Redaktion Etikiert.
Aber nur Kneipen in denen man bald nicht mehr rauchen darf. Ich Liebe Deutsche Land.
S***** Deutschland!
S***** Bürokratie!
dieses ist meine Meinung und nicht der Redakteure dieses forums. )
damit ihr kein ärger kriecht
- Gibt es hier fristen, konnte ich in den ganzen Texten nicht lesen ?
- Bin der Meinung hier mal ein Urteil gelesen zu haben, welches den Betreiber anhält, alle 14 Tage (o.ä) sein Forum zu prüfen !?
D.h. noch (!) hält eine kommende Abmahnwelle an diesem dünnen Damm....
Da innerhalb der Monatsfrist sicher noch Einspruch erhoben wird, nehme ich mal stark an, dass die Sache sich noch ziehen wird.