Kommentar: Das ewige Pre-Sequel
Man sollte meinen, immer wieder dasselbe ist langweilig, und doch fehlt es der Gamesbranche meiner Meinung nach oft an Lust zur Innovation bei neuen Titeln (obwohl die Gamesbranche oft als treibende Kraft hinter technologischen Innovationen wie Virtual Reality gesehen wird). Da die Gamescom ins Haus steht wagen wir zur Illustration einen Rückblick auf die E3. Hier war dieses Phänomen vor ein paar Monaten wieder schön zu beobachten. Natürlich ist es verständlich, dass besonders die großen Publisher aus wirtschaftlichen Gründen auf einen ausgewogenen Mix zwischen bekannten und erfolgreichen Alt-Titeln und neuen Ideen achten müssen. Und dennoch begeistert mich als Spieler und Redakteur ab einem gewissen Punkt der X. Titel einer Serie oft nicht mehr, besonders wenn die Änderungen vor allem kosmetischer Natur sind. Aber es gibt Hoffnung - denn der Anteil neuer Titel steigt.
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Und ewig grüßt das Murmeltier
Manche Reihen gleichen immer mehr Sportspielen, bei denen eine jährliche Neuauflage schon lange die Regel ist. Und auch wenn Titel wie FIFA in der meist nur eine überschaubare Menge an Neuerungen für den jährlich wiederkehrenden Vollpreis bieten, lassen sich hier wenigstens die Entwicklungen im realen Sport als weitere Motivation anführen. Auch hier bleibt aber zu hinterfragen, warum es deswegen jedes Jahr ein neuer Vollpreistitel sein muss. Wäre oft nicht auch ein Addon genügend?
Bei Serien wie Assassin's Creed gilt das aber so oder so nicht. Ubisoft, geübt im vermarkten immer neuer Ableger seiner größten Spiele-Marken, bringt hier mit Origins bereits den zehnten Teil der Hauptreihe heraus - innerhalb von zehn Jahren. Der zweite Teil ließ noch zwei Jahre auf sich warten. Dafür gab es 2014 mit Rogue und Unity gleich zwei Titel. Auch 2016 verzichtete Ubisoft auf eine Veröffentlichung, das Ziel seien keine jährlichen, sondern regelmäßige Veröffentlichungen. Man wolle sich Zeit lassen die Serie voranzubringen hieß es damals. Origins kann somit als Resultat dieser Absicht betrachtet werden. Es ist allerdings fraglich, wie viel Spielraum die Entwickler nach bereits neun Vorgängern überhaupt noch haben konnten. Und auch wenn regelmäßig nicht jährlich heißen mag - es schließt eine nur unwesentlich geringere Frequenz nicht aus, im Gegenteil.
Revivals und Neuauflagen, immer ihr Geld wert?
Einen ähnlichen Trend formen Revivals und Neuauflagen alter Klassiker. Electronic Arts bot hierfür mit Battlefront ein Beispiel. Über den Erfolg des Neustarts lässt sich streiten. Dass das neue Battlefront hinter dem Umfang der alten Battlefront-Titel zurückblieb, führte aber zu harscher Kritik aus Community und durchaus auch durch die Presse - egal wie oft die Entwickler auch die Feststellung bemühten, dass man ja nur bedingt an die alten Titel anknüpften wollte, vielmehr einen neuen Titel entwickele.
Microsoft wiederum legt mit einer Definitive Edition seinen Klassiker Age of Empires inklusive Erweiterung zum 20-jährigen Jubiläum neu auf. Am Spielprinzip soll sich wenig ändern, dafür gibt es Auflösungen bis 4k, einen neu aufgenommen Soundtrack, einige Gameplay-Neuerungen und Xbox-Live für den Multiplayer. Etwas ähnliches hatte Microsoft schon mit dem zweiten Teil der Serie gemacht, unter dem Namen Age of Empires II HD Edition. Diese war damals als digitale Edition für 20 Euro auf Steam erhältlich. Sicher ist: Age of Empires ist ein toller Klassiker und eine mit moderner Hardware kompatiblere Version an sich schon eine nette Idee. Aber letzten Endes ist das für mich eine Frage des Preises. Denn auch die Definitive Edition wird den pixeligen Look des Originals behalten, die Grafiken wurden einfach nur hochgerendert. Das trägt natürlich zum Flair bei, muss bei der Preis-Leistung ausreichend genug berücksichtigt werden.
Eine neue Hoffnung?
Die gute Nachricht ist an dieser Stelle: Der Anteil "neuer" Titel (genau genommen sogenannter neuer "IPs", also Intellectual Propertys) unter den auf der E3 vorgestellten Games hat in den letzten Jahren regelmäßig zugenommen. Basierend auf dieser Auflistung der jeweils vorgestellten Titel stieg deren Anteil 2017 auf 34%, von 32% im Jahr 2016 und mageren 17% auf der E3 2015. Bereinigt von reinen Plattform-Portierungen steigt der Anteil logischerweise noch mal etwas. Da die auf der Gamescom gezeigten Titel regelmäßig schon auf der E3 enthüllt werden, können wir hier ein ähnliches Bild annehmen. Einerseits scheint man bei Entwicklern und Publishern also mehr auf Innovation zu setzten. Ein gutes Beispiel hierfür könnte übrigens das mit Überraschung aufgenommene Spiel Unravel sein. Electronic Arts hatte den Titel auf der E3 2015 erstmals vorgestellt. Nun möchte man mit den sogenannten EA Originals, den Anfang macht hier Fe, an den Erfolg von Unravel anschließen. Andererseits ist zu befürchten, dass diese Entwicklung bereits ihren Höhepunkt erreicht hat, der Zuwachs von 2016 zu 2017 war immerhin nur minimal.
Aber worauf will ich eigentlich hinaus?
Sicher: Sequels, Prequels, Neuauflagen und Serien-Reboots haben ihren Platz in der Gameswelt. Und dennoch sollten sie mit Vorsicht betrachtet werden. Bei ersteren würde ich mir seitens der großen Publisher gerne etwas mehr Mut wünschen. Electronic Arts und Dice haben solchen, meiner Meinung nach, mit Battlefield 1 interessanterweise bewiesen, auch wenn das Spiel nicht jedermanns Sache war. Von Activision gibt es nun jedoch ein neues WW2 Call of Duty. Kollege panzerfahrer hat diese Entwicklung in seiner Kolumne bereits kritisch betrachtet. Sein Fazit: WW2-Titel ja, aber bitte nicht ausschließlich! Dem kann ich mich nur anschließen: Es wäre wünschenswert wenn hier kein Lemming-Effekt eintritt. Und auch an einem weiteren Punkt hat er Recht: Auch das beste Szenario macht keinen Mangel an Innovation im Gameplay wett - Assassin's Creed ist hierfür meiner Meinung nach ein gutes Beispiel. Aber auch der Far-Cry-Serie wird nachgesagt, dass sie sich mit verlässlicher Regelmäßigkeit nach einem frischen Anstrich immer wieder gleich anfühlt. Bei reinen Neuauflagen wiederum zählt vorallem, dass die Publisher die Preise ehrlich gestalten und die Titel nicht als etwas darstellen, dass sie nicht sind.
Letzten Endes ist es am Spieler, also dem Kunden, sich genau zu überlegen ob ein Spiel wirklich sein Geld und seine Zeit wert ist. Keine Frage, alleine eine gut geschriebene Fortsetzung einer Story kann viel Spaß machen. Lange Zeit war das zum Beispiel meine Hauptmotivation immer weitere Assassin's-Creed-Titel durchzuspielen. Doch beibt die Frage ob diese Story den Preis von 60 - 70 Euro und die Stunden am PC immer rechtfertigen kann. Gleichzeitig sollten die Spieler mutigere und innovative Projekte belohnen, egal, ob durch die großen Publisher oder unabhängig verlegt. So kann jeder Spieler seinen, wenn auch geringen, Einfluss geltend machen und den Anteil der neuen Titel beinflussen. Eine Messe wie die Gamescom wiederum ist sozusagen eine Abstimmung mit den Füßen, denn auch am Andrang an den Ständen und an der Länge der Schlange bei solchen Events wird die Popularität eines Titels gemessen. Ob genügend Spieler ihr Verhalten dementsprechend ausrichten und welche Titel auf der Messe gut ankommen bleibt abzuwarten.
So oder so bleibt mir an dieser Stelle nur die Dinge mit Humor zu sehen. Gearbox hat mir letztendlich mit der schönen Wortkonstruktion "Pre-Sequel" die perfekte Vorlage dafür geliefert. Hoffen wir also zusammen, dass mir ewige Pre-Sequels weitestgehend erspart bleiben.
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